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Sulzerareal Werk1
Winterthur
Testplanung 2009
Sulzer Immobilien AG / Stadt Winterthur
Thomas Schregenberger GmbH
Thomas Schregenberger, Andrzej Egli
Landschaftsarchitektur: Berchtold. Lenzin
Stadtentwicklung: Perimeter Stadt, Angelus Eisinger

Der Projektvorschlag versteht sich als eine Neu-Interpretation des bestehenden Sulzerareal Werk 1, er ist aus dem dort Vorgefundenen heraus entstanden. Der Titel „Re-Late, Re-Play, Re-Charge" bezieht sich denn auch auf die Entwicklung unserer Arbeit und auf den eventuell Jahrzehnte dauernden Prozess der realen physischen Erneuerung des ganzen Areals. Im Zentrum unserer Arbeit steht die städtebauliche Neubewertung der Halle 52/54, welche durch die Bildung des Charles-Brown-Platz zum Mittelpunkt und eigentlichen Scharnier des ganzen Sulzerareals wird. Ein zweiter, wichtiger Punkt ist die Kultivierung der bestehenden Ränder des Areals, und damit verbunden die Stärkung des Verhältnis von Rand und Mitte. Und schliesslich die Weiterentwicklung der L-förmigen Erschliessungen, welche der Struktur der gegebenen Industriebauten folgend, das Areal Werk 1 in verschieden grosse Baufelder teilt. Jedes dieser fünf Baufelder steht in klarer Beziehung zu mindestens einem der denkmalgeschützten Objekte auf dem Areal. Diese Bauten schaffen denn auch die Verknüpfung zur industriellen Tradition und geben dem neuen Stadtteil Atmosphäre, Unverwechselbarkeit und Identität. Ein differenziertes Nutzungsangebot - Wohnungen für verschiedene Einkommensklassen, Gewerbe und Büroflächen für KMU's wie für Grosskonzerne und kleine bis mittelgrosse Läden, Studios, Atelier-Wohnungen - sorgen für Leben im neuen Stadtteil. Zwei Hochhäuser markieren im Dreiklang mit dem geplanten Dienerbau den Schwerpunkt des Areals.

Charles-Brown-Platz
Der Charles-Brown-Platz bildet, zusammen mit seinem Gegenstück, dem Katharina-Sulzer-Platz und der dazwischen liegenden „Industriekathedrale, der Halle 52/54 neu das Zentrum des gesamten Sulzerareals. Der trichterförmige Platz ist geprägt von der nun freigespielten Westfassade der Halle 52/54, der Giebelfassade der Halle 1013, und nicht zuletzt auch von den Schienensträngen und deren Bündelung der im Süden gelegenen  Drehscheibe. Im Gegensatz zum leeren, monumentalen Katharina Sulzer Platz soll ein raumgreifendes Artefakt den Charles Brown Platz voll, informell und lebendig erscheinen lassen. Angrenzende Cafes, Restaurants und Läden sorgen zusätzlich für ein urbanes Ambiente.  

Gebäude am Platz
Das „Gebäude am Platz" liegt gegenüber der Halle 52/54 und bildet die westliche Längsfront des Charles-Brown-Platzes. Das sechsgeschossige Bürogebäude ist um einen zentralen Hof angelegt, der im Erdgeschoss überdeckt, auch grösseren Einkaufsläden und Gastonomiebetrieben Platz bietet. Durch seine zentrale Lage wird das mehrseitig orientierte „Gebäude am Platz" zum Dreh- und Angelpunkt des ganzen Areals. An der süd-westlichen Ecke bietet ein 12-geschossiger Hochhausteil Platz für attraktive Wohnungen.

Halle 1013
Die Halle 1013 soll „Schauwerkstatt" werden. In der denkmalgeschützten Halle werden historische Lokomotiven in Fronarbeit renoviert und fit gehalten. Der Verein „Freunde alter Lokomotiven" kümmert sich um sie. Ein öffentlicher Durchgang zwischen Zürcherstrasse und dem Charles-Brown-Platz führt entlang der Halle und ermöglicht Einblicke in die „Schauwerkstatt". Die dortige Glasfront wird zum Schaufenster für Bahngeschichte. So bleibt das geschützte Gebäude weiterhin als Werkhalle original genutzt, ebenso das Drehkreuz und die Schienenanlage. Die Attraktivität  der Lokomotiven wird Teil der Identität auch des neuen Stadtteils sein.

Zürcherstrasse Ost
Die zweigeschossige, denkmalgeschützte Fassade entlang der Zürcherstrasse wird zur Frontfassade, das seitlich angeordnete Portal zum Eingang des dahinter liegenden, neuen Bürogebäudes. Belichtet wird das längs an die Halle 1013 angebaute, viergeschossige Gebäude über einen Lichthof. Entlang dem Durchgang zum Charles Brown Platz sind im Erdgeschoss Ladenlokale und Gastrobetriebe vorgesehen. Im hinteren Teil ergänzen Werkstattkojen das Raumprogramm der „Schauwerkstatt".

Zürcherstrasse West
Ein grosser, mehrteiliger Gebäudekomplex bildet den nordwestlichen Abschluss des Areals. Der Zugang von der Zürcherstrasse aus ermöglicht prominente Erschliessungen. Zwei unterschiedlich grosse Höfe organisieren das Gebäude. Die denkmalgeschützte Shedfassade entlang der Zürcherstrasse formuliert den Eingangshof und schafft eine gedeckte Fussgängerverbindung zwischen den Gebäudeteilen und dem öffentlichen Fussweg entlang der Halle 1013. Der fünfgeschossige Gebäudekomplex bildet beste Voraussetzungen für ein prominentes Verwaltungsgebäude, kann aber auch als attraktives Wohngebäude genutzt werden. Im leicht zurückversetzten, elfgeschossigen Hochhaus sind luxuriöse Wohnungen vorgesehen.  

Jägerstrasse
Die bestehende Gebäudezeile entlang der Jägerstrasse wird erhalten oder durch vergleichbare Neubauten ersetzt. Sie formuliert den dortigen Rand des Areals und schafft den Übergang zu den zweigeschossigen Wohnhäusern auf der anderen Seite der Jägerstrasse. Die Gebäude werden weiterhin als kleine Werkstätten, Ladenlokale oder Wohnatelliers genutzt. Zu gegebener Zeit soll dort auch die neue Heizzentrale erstellt werden.

Wohngebäude an der „Fabrikgasse"
Das um einen zentralen Hof organisierte Wohngebäude bietet  Raum für Familien mittlerer Einkommensklassen. Einzig im Erdgeschoss sind Wohnateliers, zumietbare Arbeitsräume und kleine Ladenlokale untergebracht. Der grosse, begrünte Hof dient vorwiegend den dortigen Bewohnern, ist aber gegen die „Fabrikgasse" offen und wird durch einen öffentlichen Weg durchkreuzt.

Heizzentrale
Die bestehende Heizzentrale am Rande des geplanten Charles-Brown-Platz kann solange erhalten bleiben wie erforderlich, denn die neue Heizzentrale ist als Ersatzbau in der Gebäudezeile entlang der Jägerstrasse vorgesehen. Die neue Heizzentrale liegt an der bestehenden Haupterschliessung und ist mit Lastwagen optimal erreichbar.  

Erschliessung, Wegnetz, Verkehr
Die Erschliessung des Areals durch Motorfahrzeuge erfolg ausschliesslich von der Jägerstrasse aus. In die Gebäude integrierte Autorampen führen zu den Parkanlagen in den Untergeschossen. Eine unterirdische Strasse verbindet die nördlichen Parkgaragen miteinander. Bei der vorzeitigen Entwicklung des Baufeldes Zürcherstrasse Ost oder des Dienerbaus ist eine provisorische Zufahrtsrampe erforderlich. Anlieferung von kleineren Läden und Gastrobetrieben sind über die öffentlichen Räume möglich. Auf den Strassen und Plätzen ist eine Trennung von Fahr- und Gehbereichen nicht vorgesehen. Ein attraktives Wegnetz führt durch verschiedenartige Höfe und verbindet die Strassen und Plätze des Areals mit der übrigen Stadt.

Nutzungsverteilung  
Unser Projektvorschlag sieht eine minimale Wohnnutzung von ca. 25% vor. Darin enthalten sind die grosse Wohnanlage an der Fabrikgasse sowie die beiden Hochhäuser. Mit einer Wohnnutzung an der Zürcherstrasse West könnte allerdings der Wohnanteil des ganzen Areals auf 48% erhöht werden.

Freiraumkonzept
Neue, einprägsame und identitätsstiftende Aussenräumen ergänzen und erweitern die im Kontext bereits vorhandenen Freiräume. Kernstück bildet dabei der Charles-Brown-Platz, der über die Halle 52-54 in Verbund mit dem monumentalen Katharina-Sulzer-Platz steht. Im Zusammenspiel entsteht der bedeutsamste Freiraum innerhalb des Sulzerareals.
Harte Oberflächen betonen die industrielle Prägung der Plätze, Strassen- und Gassenräume im öffentlichen Bereich, die privateren Innenwelten der Höfe passen sich den unterschiedlichen Nutzungen an. Die Schaffung von unverwechselbaren Orten mit eigenen Identitäten steht im Vordergrund.
Charles-Brown-Platz: Er soll eine eigene Monumentalität entwickeln und dem Katharina-Sulzer-Platz Paroli bieten. Als Gegenpol soll er dicht, voll, vielschichtig, raumgreifend, pulsierend werden und Dinge bieten, die der Katharina-Sulzer-Platz nicht leisten kann und nicht leisten muss. Die Struktur dafür, respektive das „Objekt" soll im Spannungsfeld von Kunst, Architektur und Landschaftsarchitektur im Rahmen eines Wettbewerbverfahrens gefunden werden, unter Integration der Drehscheibe und Erhalt von Geleisen.
Die Abfolge von weiteren, beiläufiger ausgebildeten Freiräumen bildet ein attraktives Netz. Es entstehen Orte wie der Platz mit dem luftigen Baum-Carré, wo auch ein Aussencafé sein kann. Oder die Baumreihe entlang der Aussenräume zu Wohnungen, die auch den breiten Zwischenraum zum Technopark prägen. Die engen Aussenräume des äusseren Ringes und auch die Zugänge zum Areal zeigen sich offen und baumlos.
Die Durchgängigkeit des Areals zeichnet sich durch schlüssige Anbindungen und attraktive Verbindungen aus. Die Aussenräume sind weitgehend als Begegnungsräume ohne Trennung von Fahr- und Gehbereichen angelegt.


Thesen zur städtebaulichen Entwicklung des Sulzerareal Werk1

1. Ein urbanes Zentrum schaffen

Beobachtung:
Drei Elemente charakterisieren das Sulzer-Areal und das Areal Werk 1: die Nachbarschaft zur Altstadt, die Nähe zum Bahnhof - und damit zum Grossraum Zürich - und die grossen Gebäudekomplexe mit ihrer hohen Ausnützung.

Folgerungen:  
Die drei Elemente eröffnen Winterthur auf dem Areal Werk 1 eine einmalige städtebauliche Chance, das Zentrum zu stärken. Die Verbindung von unterschiedlichsten Wohnformen, Büro-, Atelier- und Verkaufseinrichtungen und markanten öffentliche Räumen schafft eine zeitgemässe Form von urbaner Dichte. Bestehende Industriebauten tragen zu einer unverwechselbaren Identität bei. Die Halle 52-54 wird zum Zentrum und zur Ikone des ganzen Sulzer-Areals.


2. Städtebauliche Differenz aktualisieren

Beobachtung:
Sulzer-Areal und Altstadt bilden in ihrem Massstab, ihrer Körnigkeit, ihrer Dichte und ihren Grossformen die Ausnahmen in der locker besiedelten „Gartenstadt" Winterthur. Diese Differenz gilt es bei der anstehenden Transformation im Sulzer Areal zu erhalten und zu aktualisieren. Damit verdoppelt sich das Zentrum der Stadt, indem es städtebaulich das Areal an die Altstadt anschliesst.

Folgerungen:
Grossformen des bestehenden Industriebaus setzen die Orientierung bei der Bestimmung der künftigen Baukuben von morgen.
Mit der Strategie der Grossformen lässt sich mit dem Charles-Brown-Platz ein Ort im Sulzer-Areal schaffen, der im Zusammenspiel mit der Halle 52-54 zum Schwerpunkt des neuen Gebiets wird.
Die harten Oberflächen des Areals sollen erhalten werden und den Charakter der neuen öffentlichen Räume prägen.
Neue Hochpunkte machen die Verdichtung des Areals gegen aussen sichtbar.


3. Identität aus dem Ort entwickeln

Beobachtung:
Die heutige Bebauung ist am Rande durch niedrigere Gebäude geprägt, während grosse Industriehallen das Innere des Areals bestimmen. Das Areal weist eine Reihe denkmalpflegerisch wertvoller Gebäude auf. Die geschützten Bauten am Rande verbinden sich mit einem System historischer Aussenräume.

Folgerungen:
Die Ränder werden gestärkt, während die öffentlichen Räume und Verkehrswege in die Tiefe des Areals vordringen.
Diese Schichtung Rand/Mitte erlaubt die Optionen hoher Dichte zu nutzen und gleichzeitig einen plausiblen Übergang in die umliegenden Quartiere zu schaffen.
Die Bebauung im Innern setzt die Tradition der grossen Baukörper fort. Dadurch entstehen im Herzen des Areals neue öffentliche Räume mit Zentrumsfunktionen, während die Randzonen angemessene Übergänge zur Umgebung bilden.
Industriegeschichtlich wertvolle Bauten treten in den Dialog mit neuen Architekturen. Sie tragen zur Schaffung klarer Adressen bei.
Ein Wegnetz durch die grossen Baufelder eröffnet differenzierte Aussenraumfolgen.
Die Halle 52-54 wird zu einem Scharnier im System des öffentlichen Raums, das den Katharina Sulzer-Platz und den neuen Charles-Brown-Platz mit einander verbindet.


4. Transformation lenken
 
Beobachtung:
Der vorhandene Massstab, das bauliche Erbe und die orthogonale Struktur des Areals bieten die Möglichkeit, den Transformationsprozess zu lenken.

Folgerungen:
Mit wenigen Eingriffen kann die bestehende Bebauung in plausibel dimensionierte Baufelder überführt werden.
Die geschickte Verwendung der gegebenen Bebauungsstruktur ermöglicht eine schrittweise Erneuerung.
Jeder Anfangsschritt schafft eine prägnante städtebauliche Einheit.
Der neue Charakter des Areals wird mit jedem Schritt sichtbar und die unverwechselbare Verbindung von Alt und Neu konkretisiert sich kontinuierlich.